HausNr: 25 / PlanNr. 114

Taglöhnerhaus

heute:  Kugelstraße 12

Chronologie

Zeit Besitzer, Bewohner, Benutzer
1649
Willibald Geß +1691  (Vermerk: Ratsprotokoll 1652: ein Michael Gess, Marktdiener)
1681
Johann Meyer und Barbara Kottmayer
1681
Thomas Kornprobst (von HsNr 103) und Barbara, vidua
1716 Thomas Kornprobst, viduus
    Rosina *1685
    Anna *1695
1719 geht Thomas Kornprobst mit seiner Tochter Rosina in Austrag. Er stirbt 1726, sie 1747.
1720 - 1740
Georg Wildtpichel (operarius) und Anna Kornprobst
   Caspar *1720
   Petrus *1721
   Matthias *1724 +1774
   Anna Maria *1726
   Simon *1728
   Rosina *1730


1806
Gallus Halbig (*10.10.1771 / +1859), Bräuknecht, kauft das Haus
heiratet 1851 Johanna
1859 - 1861
Hohanna Halbig, vidua, geht 1861 in Austrag und stirbt 1884
1861
Johann Schmid (+1883), Schuhmachermeister und Handelsmann und Anna


1885?
Josef Geberl, Färbermeister


vor 1899
übernimmt Florian Paulus, Schuhmacher, und Maria
   Johann und Theresia (Hebamme)




Geschichte

Im Rücken der großen Ökonomien lebten die kleinen Leute Köschings. Das Haus Nr.25 lag zur Kugelstraße hin hinter dem „Angerlbräu“, nach Osten grenzte der Stadel des „Zieglers“ an, nach Westen, die Kugelstraße hinauf, lag das Anwesen des „Kochschneiders“.
Haus Nr.25 war ein Taglöhnerhaus. Der erste, belegte Bewohner war Willibald Gess im Jahr 1649. Ihm folgten die Eheleute Johann und Barbara Meyer, sie eine geborne Kottmeyer. Nach dem Tod ihres Ehemanns heiratete die Witwe 1681 Thomas Kornprobst. Der stammte aus einer Taglöhnerfamilie, die beim Untern Tor auf Haus Nr.103 lebte. Barbara starb zu Beginn des Jahres 1715 und der Witwer blieb bis 1719 auf dem Haus. Von ihm kam wohl der Hausname „May Thoma“, den uns Pfarrer Matthäus Kerschl für das Anwesen überlieferte (Abb.1a/b).
1719 heiratete die Tochter Anna, sie war 1695 geboren, den Tagwerker Georg Wildtpichel. Der alte Vater ging mit der zweiten Tochter Rosina, geboren 1685, in den Austrag. Er starb 1726, Rosina blieb ledig. Die Ehe war mit Kindern reich gesegnet: Caspar (1720), Petrus (1721),  Matthias (1724), Anna Maria (1726), Simon (1728) und Rosina (1730).
Die jüngste Tochter verehelichte sich (vor 1780) mit dem Tagwerker Johann Schießl. Sie hatten offenbar keine Kinder, denn beim Verkauf des Hauses 1806 wurden keine Leibserben bedacht. Der Käufer war Gallus Halbig vom Angerlbräu. Das Jahr zuvor hatte die Bierbrauerswitwe Ursula Halbig an den älteren Sohn Michael übergeben. Gallus war schon beim Tod seines Vaters 1801 abgefunden worden. Er arbeitete zunächst als Bräuknecht, sein Erbteil reichte aber aus, fernerhin zu privatisieren. Am 14. Mai wurde der Kaufvertrag vom Gemeindeschreiber protokolliert (Abb. 2a/b/c):
Hauß Kaufbrief Pr. 500 fl. dann 30 fl. Leykauf.
Zuvernehmen den Hauß Kauf, welcher zwischen Johann Schiessl, bürgerlichem Taglöhner alhier zu Koesching und Rosinna, dessen Eheweib, welch letzterer aber Jakob Schiessl, bürgerlicher Kuefer, allen Beystand geleistet hat, dann dem Gallus Halbich, bürgerlichem Bierbrauers Sohn derorten, errichtet worde.
Erstens verkauffen vorbenante Schiesslische Eheleute um verhoffend ihres besseren Nutzens und Gelegenheits willen ihre bisher ruhig ingehabte dann in der Kugel Gassen neben Alojs Nieberl und Veith Rauschers Wittib ligende Behausung nebst einer kleinen Hofraith, dann ein Pflanz Beth auf dem Ried, so neben Mathias Seemayr und Josef Hiemer liget, dem vorbemelten Gallus Halbich um und vor eine Rechts pactierte Kaufs Summa Pr. 500 fl. dann 30 fl. Leykauf dergestalten, daß Zweytens Kauffer nicht nur allein schuldig und gehalten seyn solle, den kaufschilling Pr. 500 fl. nebst dem Leykauf pr. 30 fl. baar zuerlegen, sondern auch den Verkauffern lebenslänglich 1 Klafter Brennholz nebst denen Pauschen anzubehändigen.
Womit dieser Hauß Kauff Brief beschlossen, Lands gebräuchlicher Gewerschafts Leistung versprochen und hierüber Obrigkeitlich angelobet, dann zu Kaufs Gezeugen erbetten worden Michael Halbich, Bierbrauer, Lorenz Schmid, Baumann und Mathias Hiemer, Mauerer, samtlich Burger derorten. Actum den 14. May 1806.
Gallus Halbig war damals 35 Jahre alt. Er suchte im gleichen Jahr um die Bürgeraufnahme an, zahlte die Aufnahmsgebühr, blieb aber einstweilen noch ledig. 1826 erschien er in der Häuserliste (Abb. 3):
HsNr.25, Gallus Halbich, ein Wohnhaus, 12 ½ Tagwerk Forstrecht.
Er verfügte also über beträchtlichen Waldbesitz, was ihn die Übergabsbedingnisse an die alten Schiessl sicherlich leicht erfüllen ließ. Johann Schießl starb 1816. Für ein halbes Jahrhundert lebte Gallus Halbich nun in der Kugelstraße, ohne deutliche Spuren in den Gemeindeakten zu hinterlassen. Einzige Mitbewohnerin war nach Aussage der Seelenverzeichnisse eine Dienstmagd (Abb. 5). Diese wurde 1851 herausgestrichen, das „ledig“ des Hausbesitzers wurde gelöscht und eine Johanna tauchte neben ihm auf. Der nun 80jährige hatte geheiratet (Abb. 6). Wie das Gedächtnisbuch der Sebastianibruderschaft belegt, starb 1859 der ehrbare Gallus Halbig, Privatier von hier.
Die Witwe Johanna erbte das Anwesen und vermietete die freien Räume. Erster Untermieter wurde der Finanzbeamte Leonhard Fleischmann mit seiner Frau Barbara und der kleinen Tochter Carolina. Als Besonderheit wurde vermerkt, daß er Protestant war. Das Jahr darauf kam Alois Dollinger mit seiner Tochter Walburga und deren Söhnlein in Miete.
1861 veränderten sich die Besitzverhältnisse wieder. Johann Schmid vom Nebenhaus kaufte sich ein. Die Witwe blieb auf Haus Nr.25 wohnen, wurde aber nurmehr als Beisitzerin geführt. Sie starb 1884. Schmid stammte aus einer Köschinger Schusterfamilie, war ebenfalls Schuhmacher von Beruf und seit 1848 in Kösching ansässig Abb. 4a/b). Seine Ehe mit Johanna Bogner war kinderlos. Wiederholt beantragte Schmid eine zusätzliche Gewerbekonzession. 1862 versuchte er mehrfach als Lederer tätig zu werden, was aber auf Protest des Gerbers Josef Geberl vom Magistrat abgelehnt wurde. 1863 wurde ihm eine Kaufmannskonzession erteilt, 1873 sein Antrag auf Eröffnung einer Konditorei genehmigt (Abb. 7): den 16. April 1873, Schmid Johann v. Kösching, Conditorei. Ist bereits als Schuhmacher und Detailhändler besteuert.
Unter Johann Schmid scheint das Haupthaus umgebaut worden zu sein.
1883 kaufte der bereit erwähnte Köschinger Gerber Josef Geberl das Anwesen (Abb. 8) und bewohnte es im Austrag nach der Übergabe des Betriebs in der Untern Marktstraße an seinen Sohn Georg Geberl im Jahr 1885. Dieser erbte 1892, blieb in der Marktstraße, Haus Nr.84, wohnen und vermietete das Haus in der Kugelstraße an den Schuhflicker Josef Hettenkofer. Dieser war nach Kösching zugewandert, 1888 nach Friedrichshofen gegangen aber 1893 wieder zurückgekommen. Er meldete sich nur für Winterarbeit an, da er zur übrigen Zeit sein Auskommen als Taglöhner fand (Abb. 9): Hettenkofer Josef zu Kösching, HsNr.25, Schuhflicker in seiner Mietwohnung, im Winter Arbeit. Kam von Friedrichshofen wieder hieher.
1896 verließ er Kösching und ging in seine Heimatgemeinde Painten bei Hemau, im damaligen Bezirksamt Parsberg, zurück (Abb. 10).
Von ebendort kam nach den Jahren der Wanderschaft, die ihn für kurze Zeit auch in die Schweiz geführt hatte, der Schuhmacher Florian Paulus auf Haus Nr.25. Er war am 1. Mai 1871 als Kind der Zieglerseheleute Johann Paulus und Maria, geborne Pritschet, in Painten zur Welt gekommen.
Am 1. März 1896 meldete er seine Schuhmacherei ohne Laden, Werkstätte im Wohnzimmer beim Magistrat an (Abb. 11). Am 5. September heiratete er Theres Dollinger (Abb. 12a/b). Sie war Hebamme, konnte ihren Beruf aber nicht ausüben, da mit Klara Schmid und Theres Schimmer bereits zwei in Kösching ansässig waren. Schon das Jahr darauf verzog die Hebamme Schmid. Der Magistrat lehnte aber die Anstellung einer neuen 2. Hebamme aus Kostengründen ab. Erst 1901 wurde im Protokollbuch der Gemeinde unterm 13. Oktober vermerkt (Abb. 13): Dem Gesuch der Schuhmachersfrau Theresia Paulus, sie als II. Hebamme aufstellen zu wollen, wird einstimmig stattgegeben, da tatsächlich ein Bedürfnis hiefür vorhanden, weil die bisherige immer kränklich ist. Die alte Hebamme starb im darauffolgenden Jahr.
1907 meldete Florian Paulus ein Geschäft für den Verkauf von Konfektionsschuhwaren an (Abb. 14). Während des Krieges war dieses Ladengeschäft abgemeldet (Abb. 15). Nach Ausweis des Brandversicherungsbuches wurde das Anwesen zu dieser Zeit umgebaut (Abb. 8). Mit Einrichtung des Ladengeschäfts wurde auch nicht mehr vermietet. Davor sind als Untermieter bekannt: Albin Ziegler, Josef Theissinger, Seitz (1899-1903), Ferkl (1903-1908).
1925 übernahm der Sohn Florian Paulus die Schuhmacherwerkstatt. Dazu vermerkte die Gewerbebehörde (Abb. 16, 17):
Florian Paulus betreibt seit 1. Januar die Schuhmacherei nicht mehr, da er diese und sein Haus an seinen Sohn Florian Paulus übergeben hat, betreibt jedoch den Schuhhandel (Verlagsgeschäft) weiter.
Eine letzte Spur in Archiv der Marktgemeinde zur Hausgeschichte lieferten die Ereignisse des 2. Weltkrieges. Als der Bombenkrieg sich immer massiver auswirkte, schickte 1943 die Stadt München Kommissionen aufs Land, die nach Unterbringungsmöglichkeiten für Bombengeschädigte Ausschau halten sollte und auch schon Beschlagnahmeverfügungen auszustellen hatte. Beim Haus des Schuhmachers Paulus war keinerlei Wohnraum mehr freizumachen. Die 4 vorhandenen Räume waren von Familienangehörigen belegt (Abb. 18).

Friedrich Lenhardt

Bilder

Quellen:
1a/b.        Matthäus Kerschl, Seelenbuoch.   
Eintrag zum Haus „May Thoma“, 1716-1739.

2a/b/c.    Briefsprotokoll des Königlich Baierischen Baanmarckts Koesching für das Jahr 1806.
Hauskaufbrief vom 14. Mai 1806.

3.            Belegband zum Hypothekenbuch VI, Kösching.
Rentamt Ingolstadt, Verzeichnis über das Staatsaerar, 1826.

4a/b.        Bürgeraufnahmsakt für Johannes Schmid.
Übergabsvertrag für Haus Nr.25 1/2, 1848.

5.            Status animarum parochiae Koeschingensis anni 1848.
Nr.25: Gallus Halbich und 1 Dienstbote, weibl.  Nr.1 25 ½: Johann Schmid mit Bleistifteintrag seiner Verheiratung mit Anna.

6.            Status animarum parochiae Koeschingensis anni 1951.
Nr.25: Gallus Halbich mit Bleistifteintrag seiner Verheiratung mit Johanna.

7.            Gewerbsaufnahmeregister 1868-1882.
Anmeldung der Conditorei des J. Schmid auf Haus Nr. 25.

8.            Brandversicherungsgrundbuch, angelegt 1885.
Korrigierte Einträge zu Haus Nr.25: Geberl / Paulus.

9.            Gewerbsanmeldungen 1881-1931.
Anmeldung des Jos. Hettenkofer vom 5. April 1893.

10.         Gewerbsniederlegungen 1882-1930.
Abmeldung des Jos. Hettenkofer vom 1. April 1896.

11.         Gewerbsanmeldungen 1881-1931.
Anmeldung des Florian Paulus vom 3. März 1896

12.         Verehelichungszeugnisse 1889-1899.
Florian Paulus und Theres Dollinger vom 5. September 1896.

13.         Protokollbuch des Marktgemeindeausschusses 1901-1906.
Gesuch der Theres Paulus, 13. Oktober 1901.

14.         Gewerbsanmeldungen 1881-1931.
Anmeldung des Florian Paulus vom 27. Januar 1907.

15.        Gewerbsniederlegungen 1882-1930.
Abmeldung vom 1. Dezember 1915.

16.        Gewerbsniederlegungen 1882-1930.
Abmeldung des Florian Paulus vom 1. Januar 1925.

17.        Gewerbsanmeldungen 1881-1931.
Anmeldung des Florian Paulus vom 16. Januar 1925.

18.        Wohnungskommission vom 3. Dezember 1943.
Wohnraumprotokoll von Haus Nr.25.

19.        Simmlisten für den Volksentscheid am 20. Juli 1926

Pläne
Urkatasteraufnahme von 1816.
Korrigierter Katasterplan von 1897.

Sachstand: 12/2019 - Horst Laubmann
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